H​Ö​R MAL

from BILDERBUCH ZUM AUSMALEN by ERIK MÄLZNER

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lyrics

Als Mutter von der Arbeit nach Hause kam, standen ihr meine dreißig Farbbüchsen im Weg. „Stop, Mami, es ist noch feucht! Das ist ein riesiges Bild, alles muß warten!“ Die Farben haben mir Mutter und Vater zu Geburtstagen geschenkt. Heute bringt Mutter einen schönen Kasten mit, größer als alle meine anderen Spielsachen.
„Ist das auch ein Farbkasten?“ „Nein“, sagt Mutter, „komm mal her“, und sie öffnet den Kasten. Die Dinge darin sind silbern, länglich und verschieden groß. Sehr interessant. „Weißt du“, sagt Mutter, „das ist DER KLEINE HNO-ARZT.“ Aha, ich hab ja schon gehört, daß Kinder aus unserem Kindergarten mit Messern spielen, aber bis heute habe ich solche Dinge noch nicht in der Hand gehabt. Schnell nehme ich Messer, Scheren und Nadeln. Mutter erklärt mir alles und zeigt mir, wie man sie hält. „Damit machen Kinder im Fernsehen schöne Filme. Willst du auch Pathologie lernen?“ Ich sage ihr, daß ich lieber Bildermalen lernen will. „Das kannst du als Erwachsener“, sagt Mutter, „heute lernen Kinder Karate, fremde Sprachen und Chirurgie. Du bist schon fünf Jahre alt und kannst nicht immer nur mit Malutensilien spielen. In der nächsten Woche fängt im Kindergarten ein Orientierungskurs an, deshalb habe ich extra für dich DER KLEINE HNO-ARZT gekauft.“ Ich frage: „Ist das schwieriger als Bildermalen?“ Mutter meint, wenn man sich Mühe gibt, könne man alles lernen. Das Gebiet Hals-Nasen-Ohrenheilkunde umfasse die Vorbeugung, Erkennung, Behandlung, Nachsorge und Rehabilitation von Erkrankungen, Verletzungen, Fehlbildungen, Formveränderungen und Tumoren des Ohres, der Nase, der Nasennebenhöhlen, der Mundhöhle, Funktionsstörungen der Sinnesorgane dieser Regionen sowie von Stimm-, Sprach-, Sprech- und Hörstörungen.
Ein paar Tage später bringt sie mich zu dem Kurs "Operative Eingriffe einschließlich endoskopischer und mikroskopischer Techniken an Ohr, Ohrschädel, Gehörgang, Ohrmuschel einschließlich Felsenbeinpräparationen". Wir sind sieben Teilnehmer. Eigentlich sind wir Lausbuben, doch jetzt mit unseren Kitteln sehen wir sehr vornehm aus. In der ersten Unterrichtsstunde wollen wir gleich richtig obduzieren, doch die Lehrerin sagt, wir müßten erst lernen, wie man die Geräte hält. Sie zeigt es uns, und wir müssen es nachmachen. Ich finde das schwer, und das ganze Aufpassen finde ich langweilig. Zu Hause muß ich nun immer zuerst Schnitzel schneiden üben, bevor ich malen darf. Doch obwohl ich schon ein paarmal geübt habe, kann ich immer noch nicht richtig sezieren.
Eines Tages hat Mutter eine Klinik für umweltbedingte Schädigungen im Hals-Nasen-Ohrenbereich einschließlich Lärmschwerhörigkeit gefunden, wo viele Kinder Chirurgie lernen, und da soll ich nun richtig Schneiden lernen. Aber schon die Unterrichtszeit paßt überhaupt nicht in mein Programm: ausgerechnet am Sonntagnachmittag, wenn im Fernsehen „100 Meisterwerke“ läuft.
Aber nun beginnt mir die Sache Spaß zu machen. Der Doktor ist besser als die bisherige Lehrerin, wir lernen die Venen, die lustig aussehen wie kleine Schlangen, und wir dürfen gleich richtig schneiden. Meine erste Aufgabe ist ein Frosch. Zu Hause übe ich jeden Tag zwanzig Minuten. Mutter ist mit ihrer Arbeit immer sehr beschäftigt, doch wenn sie nach Hause kommt, setzt sie sich zu mir und schaut mir beim Üben zu. Sie selbst kann nicht operieren. Aber als sie mich in die Klinik begleitete, hat sie fast alles, was der Lehrer unterrichtet hat, im Kopf behalten. So kann sie mich kontrollieren, ob ich Fehler mache. Zum Spaß schneidet sie meinen Teddy auf und holt die Holzwolle heraus. Wie kindisch.
Wenn Mutter wegen der Arbeit nicht nach Hause kommt, kontrolliert Vater mein Üben. Doch Vater versteht nichts vom Sezieren, so kann ich machen was ich will. Einmal war Mutter wieder nicht zu Hause und ich habe nur schnell eine kleine Ratte zerlegt. Als Mutter zurückkam, war ich schon lange damit fertig, und da hat sie meinen Trick durchschaut und ließ mich noch einmal mit einer Katze von vorn beginnen. Diesmal war ich ganz konzentriert und schnitt auch gut. Mutter war sehr zufrieden. Schon ein halbes Jahr lerne ich nun HNO-Arzt. Inzwischen übe ich auch ohne Kontrolle von Mutter und ohne zu mogeln. Jetzt ist es mein größter Wunsch, daß Erwachsene mal hören können.

When Mother came home from work, my thirty colour cans stood in her way. "Stop, Mami, it's still damp! That's a huge picture, everything has to wait!" The colours mother and father have given me on birthdays. Today, Mother brings a beautiful box, bigger than all my other toys.
"Is this also a color box?" "No," Mother says, "come here," and she opens the box. The things in it are silver, elongated and different sizes. Very interesting. "You know," Mother says, "that's THE LITTLE ENT-PHYSICIAN." Aha, I have already heard that children from our kindergarten play with knives, but to this day I have not had such things in my hands. I quickly take knives, scissors and needles. Mother explains everything to me and shows me how to hold it. 'That's what kids make beautiful movies with on TV. Do you want to learn pathology?" I tell her that I would rather learn picture painting. "You can do that as an adult," says Mother, "today children learn karate, foreign languages and surgery. You are already five years old and can't always play with painting utensils. Next week, an orientation course starts in kindergarten, so I bought THE LITTLE ENT-PHYSICIAN especially for you." I ask, "Is this more difficult than picture painting?" Mother thinks that if one makes an effort, one can learn everything. The area of nail-nose-ear medicine includes the prevention, detection, treatment, aftercare and rehabilitation of diseases, injuries, malformations, changes in shape and tumors of the ear, nose, sinuses, oral cavity, dysfunction the sensory organs of these regions as well as voice, speech, diction and hearing impairments.
A few days later, she brings me to the course "Surgical procedures including endoscopic and microscopic techniques on ear, ear skull, ear canal, ear cup including petrous bone preparations." We are seven participants. Actually we are rascals, but now with our coats we look very genteel. In the first lesson we want to perform an autopsy correctly, but the teacher says that we first have to learn how to hold the devices. She shows it to us, and we have to imitate it. I find that hard, and all the watching I find boring. At home, I must now always practice cutting cutlet before I can paint. But even though I've practiced a couple of times before, I still can't dissect properly.
One day, Mother found a clinic for environmental damage in the neck-nose-ear area including noise hearing loss, where many children learn surgery, and that's where I'm supposed to learn how to cut properly. But even the teaching time does not fit into my program at all. On Sunday afternoon, when "100 masterpieces" are on TV.
But now I'm starting to have fun. The doctor is better than the previous teacher, we learn the veins that look funny like little snakes, and we're allowed to cut right away. My first task is a frog. At home, I practice twenty minutes every day. Mother is always very busy with her work, but when she comes home, she sits down with me and watches me practice. She herself cannot operate. But when she accompanied me to the clinic, she kept almost everything the teacher taught in mind. So she can control me if I make mistakes. For fun, she cuts open my teddy and gets the wood wool out. How childish.
If mother doesn't come home because of work, father controls my practice. But Father does not understand anything about dissecting, so I can do what I want. Once again, Mother wasn't home and I just quickly disassembled a little rat. When Mother came back, I'd been done with it for a long time, and that's when she saw through my trick and let me start all over again with a cat. This time I was very focused and also cut well. Mother was very pleased. I have been learning ENT-physician for half a year now. Meanwhile, I also practice without a control of mother and without mooring. Now it is my greatest wish that adults can hear sometime.

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from BILDERBUCH ZUM AUSMALEN, released April 27, 2019

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