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BILDERBUCH ZUM AUSMALEN

by ERIK MÄLZNER

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1.
PRIVATLEBEN 04:53
2.
HÖR MAL 09:57
Als Mutter von der Arbeit nach Hause kam, standen ihr meine dreißig Farbbüchsen im Weg. „Stop, Mami, es ist noch feucht! Das ist ein riesiges Bild, alles muß warten!“ Die Farben haben mir Mutter und Vater zu Geburtstagen geschenkt. Heute bringt Mutter einen schönen Kasten mit, größer als alle meine anderen Spielsachen. „Ist das auch ein Farbkasten?“ „Nein“, sagt Mutter, „komm mal her“, und sie öffnet den Kasten. Die Dinge darin sind silbern, länglich und verschieden groß. Sehr interessant. „Weißt du“, sagt Mutter, „das ist DER KLEINE HNO-ARZT.“ Aha, ich hab ja schon gehört, daß Kinder aus unserem Kindergarten mit Messern spielen, aber bis heute habe ich solche Dinge noch nicht in der Hand gehabt. Schnell nehme ich Messer, Scheren und Nadeln. Mutter erklärt mir alles und zeigt mir, wie man sie hält. „Damit machen Kinder im Fernsehen schöne Filme. Willst du auch Pathologie lernen?“ Ich sage ihr, daß ich lieber Bildermalen lernen will. „Das kannst du als Erwachsener“, sagt Mutter, „heute lernen Kinder Karate, fremde Sprachen und Chirurgie. Du bist schon fünf Jahre alt und kannst nicht immer nur mit Malutensilien spielen. In der nächsten Woche fängt im Kindergarten ein Orientierungskurs an, deshalb habe ich extra für dich DER KLEINE HNO-ARZT gekauft.“ Ich frage: „Ist das schwieriger als Bildermalen?“ Mutter meint, wenn man sich Mühe gibt, könne man alles lernen. Das Gebiet Hals-Nasen-Ohrenheilkunde umfasse die Vorbeugung, Erkennung, Behandlung, Nachsorge und Rehabilitation von Erkrankungen, Verletzungen, Fehlbildungen, Formveränderungen und Tumoren des Ohres, der Nase, der Nasennebenhöhlen, der Mundhöhle, Funktionsstörungen der Sinnesorgane dieser Regionen sowie von Stimm-, Sprach-, Sprech- und Hörstörungen. Ein paar Tage später bringt sie mich zu dem Kurs "Operative Eingriffe einschließlich endoskopischer und mikroskopischer Techniken an Ohr, Ohrschädel, Gehörgang, Ohrmuschel einschließlich Felsenbeinpräparationen". Wir sind sieben Teilnehmer. Eigentlich sind wir Lausbuben, doch jetzt mit unseren Kitteln sehen wir sehr vornehm aus. In der ersten Unterrichtsstunde wollen wir gleich richtig obduzieren, doch die Lehrerin sagt, wir müßten erst lernen, wie man die Geräte hält. Sie zeigt es uns, und wir müssen es nachmachen. Ich finde das schwer, und das ganze Aufpassen finde ich langweilig. Zu Hause muß ich nun immer zuerst Schnitzel schneiden üben, bevor ich malen darf. Doch obwohl ich schon ein paarmal geübt habe, kann ich immer noch nicht richtig sezieren. Eines Tages hat Mutter eine Klinik für umweltbedingte Schädigungen im Hals-Nasen-Ohrenbereich einschließlich Lärmschwerhörigkeit gefunden, wo viele Kinder Chirurgie lernen, und da soll ich nun richtig Schneiden lernen. Aber schon die Unterrichtszeit paßt überhaupt nicht in mein Programm: ausgerechnet am Sonntagnachmittag, wenn im Fernsehen „100 Meisterwerke“ läuft. Aber nun beginnt mir die Sache Spaß zu machen. Der Doktor ist besser als die bisherige Lehrerin, wir lernen die Venen, die lustig aussehen wie kleine Schlangen, und wir dürfen gleich richtig schneiden. Meine erste Aufgabe ist ein Frosch. Zu Hause übe ich jeden Tag zwanzig Minuten. Mutter ist mit ihrer Arbeit immer sehr beschäftigt, doch wenn sie nach Hause kommt, setzt sie sich zu mir und schaut mir beim Üben zu. Sie selbst kann nicht operieren. Aber als sie mich in die Klinik begleitete, hat sie fast alles, was der Lehrer unterrichtet hat, im Kopf behalten. So kann sie mich kontrollieren, ob ich Fehler mache. Zum Spaß schneidet sie meinen Teddy auf und holt die Holzwolle heraus. Wie kindisch. Wenn Mutter wegen der Arbeit nicht nach Hause kommt, kontrolliert Vater mein Üben. Doch Vater versteht nichts vom Sezieren, so kann ich machen was ich will. Einmal war Mutter wieder nicht zu Hause und ich habe nur schnell eine kleine Ratte zerlegt. Als Mutter zurückkam, war ich schon lange damit fertig, und da hat sie meinen Trick durchschaut und ließ mich noch einmal mit einer Katze von vorn beginnen. Diesmal war ich ganz konzentriert und schnitt auch gut. Mutter war sehr zufrieden. Schon ein halbes Jahr lerne ich nun HNO-Arzt. Inzwischen übe ich auch ohne Kontrolle von Mutter und ohne zu mogeln. Jetzt ist es mein größter Wunsch, daß Erwachsene mal hören können. When Mother came home from work, my thirty colour cans stood in her way. "Stop, Mami, it's still damp! That's a huge picture, everything has to wait!" The colours mother and father have given me on birthdays. Today, Mother brings a beautiful box, bigger than all my other toys. "Is this also a color box?" "No," Mother says, "come here," and she opens the box. The things in it are silver, elongated and different sizes. Very interesting. "You know," Mother says, "that's THE LITTLE ENT-PHYSICIAN." Aha, I have already heard that children from our kindergarten play with knives, but to this day I have not had such things in my hands. I quickly take knives, scissors and needles. Mother explains everything to me and shows me how to hold it. 'That's what kids make beautiful movies with on TV. Do you want to learn pathology?" I tell her that I would rather learn picture painting. "You can do that as an adult," says Mother, "today children learn karate, foreign languages and surgery. You are already five years old and can't always play with painting utensils. Next week, an orientation course starts in kindergarten, so I bought THE LITTLE ENT-PHYSICIAN especially for you." I ask, "Is this more difficult than picture painting?" Mother thinks that if one makes an effort, one can learn everything. The area of nail-nose-ear medicine includes the prevention, detection, treatment, aftercare and rehabilitation of diseases, injuries, malformations, changes in shape and tumors of the ear, nose, sinuses, oral cavity, dysfunction the sensory organs of these regions as well as voice, speech, diction and hearing impairments. A few days later, she brings me to the course "Surgical procedures including endoscopic and microscopic techniques on ear, ear skull, ear canal, ear cup including petrous bone preparations." We are seven participants. Actually we are rascals, but now with our coats we look very genteel. In the first lesson we want to perform an autopsy correctly, but the teacher says that we first have to learn how to hold the devices. She shows it to us, and we have to imitate it. I find that hard, and all the watching I find boring. At home, I must now always practice cutting cutlet before I can paint. But even though I've practiced a couple of times before, I still can't dissect properly. One day, Mother found a clinic for environmental damage in the neck-nose-ear area including noise hearing loss, where many children learn surgery, and that's where I'm supposed to learn how to cut properly. But even the teaching time does not fit into my program at all. On Sunday afternoon, when "100 masterpieces" are on TV. But now I'm starting to have fun. The doctor is better than the previous teacher, we learn the veins that look funny like little snakes, and we're allowed to cut right away. My first task is a frog. At home, I practice twenty minutes every day. Mother is always very busy with her work, but when she comes home, she sits down with me and watches me practice. She herself cannot operate. But when she accompanied me to the clinic, she kept almost everything the teacher taught in mind. So she can control me if I make mistakes. For fun, she cuts open my teddy and gets the wood wool out. How childish. If mother doesn't come home because of work, father controls my practice. But Father does not understand anything about dissecting, so I can do what I want. Once again, Mother wasn't home and I just quickly disassembled a little rat. When Mother came back, I'd been done with it for a long time, and that's when she saw through my trick and let me start all over again with a cat. This time I was very focused and also cut well. Mother was very pleased. I have been learning ENT-physician for half a year now. Meanwhile, I also practice without a control of mother and without mooring. Now it is my greatest wish that adults can hear sometime.
3.
4.
Mein jüngerer Bruder heißt Karl. Er hat ein intelligentes Gesicht und große braune Augen. Andere Kinder nannten ihn heimlich "Professor". In Wirklichkeit war er ein sehr zurückgezogenes Kind. Er spielte nicht gern mit anderen Kindern. In der Schule beschäftigte er sich meistens mit anderen Dingen als mit dem Lehrstoff. Lediglich auf das Malen konzentrierte er sich, und dann glich er einem strebsamen Erwachsenen. Während mein Vater einmal malte, tat es ihm mein jüngerer Bruder nach, und als mein Vater sein Bild fertig gemalt hatte, legte auch er den Pinsel nieder. Ein schönes Aktbild. Einerseits die Keckheit und andererseits die Unschuld darin gefielen meinem Vater sehr. Seither lehrte er meinem jüngeren Bruder ernsthaft das Malen. Auf Geheiß meines Vaters durfte mein jüngerer Bruder täglich einige Bilder malen. Anfangs nahm er es sehr ernst, doch dann wollte er lange Zeit nur allein sein und schlich sich heimlich hinaus, wenn mein Vater ihn unbeaufsichtigt ließ. Als mein jüngerer Bruder neun Jahre alt war, ließ ihn mein Vater Tapeten und Stoffmuster entwerfen um sie zu verkaufen. Als er zehn Jahre alt war, gewann sein Bild DIE DSCHUNKE in der Nachmittagssendung des Fernsehens DIE KLEINE AKADEMIE einen Preis und er wurde in die Sendung eingeladen und zeigte dort wie man einen Linolschnitt macht. Nachdem er diese Auszeichnung gewonnen hatte, malte er noch fleißiger. Er lernte nicht nur bei unserem Vater sondern auch bei einem Zeichenlehrer am Gymnasium. Leichen und Erotika waren seine Lieblingsmotive. Ein anderer Kollege unseres Vaters, der einige seiner Bilder sah, lobte ihn begeistert. Eine Bilderserie war Anlaß für Predigten in einem Tempel. Einige Jahre lang wurden die Arbeiten meines jüngeren Bruders in den Jugendfestspielheften der Stadt abgebildet und ausgezeichnet. Er lernte, seine Umgebung besser zu beobachten, Bücher zu lesen und Filme zu schauen, um noch besser malen zu können. Er las JIN PING MEI, DER EINZIGE UND SEIN EIGENTUM und ÜBER DAS VOLKSVERMÖGEN. Beckett und Bernhardt wurden seine Favoriten. Zu seinem Geburtstag, als unsere ganze Familie zusammentraf, fragte ich ihn scherzhaft: "Nun, bist du mit deinem großen Erfolg zufrieden?“ Er antwortete: "Wieso?“, ergriff seinen Parka, lief ungezogen mit rotem Kopf hinaus und rief: "Bo-zai entfernt sich." Alle Familienmitglieder waren verunsichert. Für seine Arbeiten ist ihm irgendwann in seiner Abwesenheit im Kammermusiksaal der Stadthalle ein Preis für Kunst und Wissenschaft verliehen worden. Er hat ihn zurückgegeben. Ein Jahr darauf ist er weggezogen und der Kontakt brach leider ab. Ich habe aber gehört, daß er ein anerkannter Sänger geworden ist. My younger brother's name is Karl. He has a smart face and big brown eyes. Other children secretly called him "Professor". In reality he was a very secluded child. He didn't like playing with other kids. At school, he mostly dealt with other things than the teaching material. He only concentrated on painting, and then he resembled a striving adult. While my father once painted, my younger brother imitated him, and when my father had finished his picture, he too put the brush down. A beautiful nude portrait. On the one hand, the keckiness and, on the other hand, the innocence in it pleased my father very much. Since then, he has seriously taught my younger brother to paint. At the behest of my father, my younger brother was allowed to paint some pictures a day. At first he took it very seriously, but then he just wanted to be alone for a long time and secretly sneaked out when my father left him unattended. When my younger brother was nine years old, my father let him design wallpapers and patterns of cloth to sell them. When he was ten years old, his picture DIE DSCHUNKE won an award in the afternoon broadcast TV show THE KLEINE AKADEMIE and he was invited into the show and showed there how to do a lino-cut. After winning that award, he painted even more diligently. He learned not only from our father, but also from a drawing teacher at the gymnasium. Corpses and erotica were his favorite motifs. Another of our father's colleagues, who saw some of his pictures, enthusiastically praised him. A series of images was the occasion for sermons in a temple. For a some years, my younger brother's work was depicted and awarded in the city's youth festival booklets. He learned to better observe his surroundings, read books and watch movies to be able to paint even better. He read JIN PING MEI, DER EINZIGE UND SEIN EIGENTUM and ÜBER DAS VOLKSVERMÖGEN. Beckett and Bernhardt became his favorites. For his birthday, when our whole family met, I jokingly asked him, "Well, are you happy with your great success?" He replied, "Why?" grabed his parka, running out rudely with red head and shouting: "Bo-zai is moving away." All family members were unsettled. Anytime in the Chamber Music Room of the guildhall, he was awarded in his absence an art and science prize for his work. He has returned it. A year later he moved away and the contact unfortunately broke off. But I have heard that he has become a recognized singer.
5.
EX SITU 03:48
6.
REFLECTANCE 05:12
7.
Das Kofferradioorchester. Es gilt als das erste in unserem Land. Besonders erwähnenswert ist, daß dieses Orchester in einem der abderitischsten Dörfer, das jahrzehntelang von Katastrophen wie Dummheit und Freßsucht heimgesucht worden war, gegründet wurde. Die Dorfbewohner konnten damals kaum lesen oder schreiben, geschweige denn ein Orchester mit einem Kostenaufwand von 1000 Mark pro Jahr unterhalten. Eine der Hauptursachen, die unser Dorf aus Völlerei und Rückständigkeit erlöste, ist der Verzicht auf das einseitige Betreiben von Landwirtschaft und die Einführung der Straßenbeleuchtung. Mit der raschen Etablierung kollektiver Bastelstunden erhöhte sich auch die Intelligenz jedes einzelnen Bauern. Alte Mietskasernen wurden dem Boden gleich gemacht. Mehr als 270 Haushalte sind in neue Holzhäuser umgezogen. Jede Familie lebt jetzt in Mehrgenerationshäusern, vor denen kleine Gärten mit Gemüse oder Blumen und Bäumen liegen. Fast jeder Haushalt hat ein Regal mit Büchern, manche sogar mehrere. Außerdem wurde eine Reihe kultureller Einrichtungen wie ein Kintopp mit 100 Plätzen, ein Jugendheim und ein kleiner Parkplatz gebaut. Die neue Musik gehört nun auch zu unserem Dorf. Dies soll von Generation zu Generation fortgesetzt werden. Viele junge Leute sind in der Lage, Kofferradios oder ähnliche Abspielgeräte zu bedienen. Die ideellen Voraussetzungen für ein Kofferradioorchester waren da, was nicht für Geld zu haben ist. Aber um die Kofferradios zu besorgen, brauchte es viel Energie. In den umliegenden Städten haben wir viele Kofferradios auftreiben können. Jeder Spieler wurde mit Anzug und Lederschuhen ausgestattet. Das Orchester besteht aus 58 Personen, vom Backfisch von 16 bis zum Ahn von 78 Jahren. Die meisten von ihnen sind Absolventen der Grundschule. Wir, die Söhne und Töchter von Bauern, sind zwar mit Strom vertraut, vom Bedienen neuerer Receiver kann aber keine Rede sein. Manche von uns haben sie sogar vorher niemals gesehen. Glücklicherweise gibt es im Jugendheim einige Elektriker, die sehr in ihrem Beruf aufgehen. Einige Lehrer aus der Hauptstadt haben uns auch Hilfestellung gegeben. Sie erteilten uns Kreativunterricht, und wir arbeiteten so eifrig, daß wir überhaupt nicht mehr an Essen und Schlafen dachten. Unsere Mühe war auf die Dauer von Erfolg gekrönt. Nach nur einwöchiger Probe waren wir in der Lage, ein paar interessante Stücke zu spielen, was die freundliche Ermutigung unseres Publikums zur Folge hatte. Das gab nicht nur uns selbst sondern auch unseren Lehrern neue Kraft. Jetzt können wir eine Reihe perlusorischer Avantgardestücke spielen. Bei einigen Stücken singen wir auch. Das bereitet uns große Freude, obwohl es nicht immer perfekt klingt. Wir haben besondere Lieder für Gäste. Eins lautet so: „Die Gäste sind aus der Stadt zu uns gekommen, ohne die Strapazen des Weges zu scheuen. Hurtig, bietet ihnen ein Bett fürs Nickerchen an und bringt ihnen eine Schale Gänsewein.“ Bei scheidenden Gästen wird ein fröhlicheres Lied gesungen. Für Familienfeiern oder Treffen der Arbeitskollegen gibt es Klagelieder. Wir machen Lieder für jeden Anlaß: zum Beenden von Freundschaft, zum Zügeln der Wollust, zur Absage von Gästen, zur Kindertherapie usw. Lieder werden auch benutzt, um Streit in der Mischpoke zu klären. Kritik wird oft in Liedern geübt, denn je mehr jemand singt, desto tiefer ist das Verständnis und desto schärfer die Gedanken. Ein Beispiel für eines der Lieder sei folgender Text, der noch keinen Titel hat. durch die Stadt spazieren / erst muß die alte Farbe ab / die Straße führt nach Westen / Affen turnen durch die Bäume / auf Eis drehen die Räder durch / er trottet durch die Gegend / ein Stein fliegt durch die Scheibe / Wasser sickert durch den Boden / Abstimmung erfolgt per Handzeichen / Blätter fliegen durch die Luft / die Stadt wurde durch Hochwasser zerstört / er geht ziellos durch die Straßen / ein Bach fließt durch den Abfall / mit Fackeln durch die Straßen / ein Arzt tupft Wunden ab / Keime durch kochen abtöten / Wind bringt beißende Kälte mit / er kämpft sich durch die Menschenmenge / durch eine Lawine wurden Häuser vernichtet / Truppen sind durch die Stadt gezogen / mit dem Kopf durch die Wand / durch die Maschen des Gesetzes / das Herz pumpt Blut durch die Adern / er bummelt gemütlich durch die Stadt / Bis jetzt hatten wir bereits mehr als 15 Aufführungen. Die Zuhörerschaft umfaßt nicht nur die Dorfbewohner, sondern auch die Einwohner der nächsten Stadt und die Arbeiter der Betriebe in der Umgebung. Wir sind sogar auf eine Reise gegangen, und die Resonanz beim Publikum war unerwartet positiv. Nur sechs Personen haben den Saal verlassen. Wir hätten nicht gedacht, daß sich so viele Leute für unsere Lustbarkeit interessieren. Wir würden auch zu Hochzeiten und bei Bestattungsfeiern spielen, wodurch unser Kofferradioorchester mit dem Alltagsleben der Dorfbewohner noch enger verbunden wäre. The portable radio orchestra. It is considered the first in our country. It is particularly noteworthy that this orchestra was founded in one of the most abderite villages, which had been ravaged for decades by disasters such as stupidity and boulimia. The villagers could hardly read or write at that time, let alone maintain an orchestra at a cost of 1000 Deutschmarks per year. One of the main causes that our village redeemed from gluttony and backwardness is the abandonment of the one-sided operation of agriculture and the implementation of street lighting. With the rapid establishment of collective craft hours, the intelligence of each individual farmer also increased. Old blocks of flats were razed to the ground. More than 270 households have moved into new wooden houses. Each family now lives in multi-generation houses, in front of which lie small gardens with vegetables or flowers and trees. Almost every household has a shelf of books, some even several. In addition, a number of cultural institutions such as a 100-seat cinema, a youth center and a small parking were built. The new music now belongs also to our village. This is to be continued from generation to generation. Many young people are able to operate portable radios or similar playback devices. The ideal prerequisites for a portable radio orchestra were there, that you can´t by for money. But getting the portable radios took a lot of energy. In the surrounding cities we have been able to find a lot of portable radios. Each player was fitted with a suit and leather shoes. The orchestra consists of 58 people, from a young teenager of 16 to a grandfather of 78 years. Most of them are primary school graduates. We, the sons and daughters of farmers, are familiar with electricity, but there can be no question of serving newer receivers. Some of us have never seen them before. Fortunately, there are some electricians in the youth center who are very active in their profession. Some teachers from the capital have given us help also. They gave us creative lessons, and we worked so diligently that we no longer thought about eating and sleeping at all. Our efforts were successful in the long run. After just a week of rehearsal, we were able to play some interesting pieces, which resulted in the friendly encouragement of our audience. This gave new strength not only to ourselves but also to our teachers. Now we can play a series of perlusory avantgarde pieces. With some pieces, we sing, too. This gives us great pleasure, although it doesn't always sound perfect. We have special songs for guests. One goes like this: "The guests have come to us from the city without shying away from the strains of the trail. Hurty, offers them a bed for napping and brings them a bowl of goose wine." With departing guests, a more cheerful song is sung. There are laments for family gatherings or work colleagues meetings. We make songs for every occasion: To end friendship, to restrain the lust, to cancel guests, to children's therapy, etc. Songs are also used to clarify quarrels in the clan. Criticism is often dealed out in songs, because the more someone sings, the deeper is the understanding and the sharper are the thoughts. An example of one of the songs is the following text, which does not have a title yet. walking through the city / first, the old paint has to remove / the road leads to west / monkeys move through the trees / on ice the wheels are spinning / he trots through the area / a stone flies through the pane / water seeps through the ground / voting is done by show of hands / leaves fly through the air / the city was destroyed by floodwaters / he walks the streets aimlessly / a stream flows through the waste / with torches through the streets / a doctor dashes wounds / kill germs by cooking / wind brings biting cold / he fights his way through the crowd / houses destroyed by an avalanche / troops have moved through the city / with the head through the wall / through the meshes of the law / the heart pumps blood through the veins / he strodes snugly through the city / So far, we've had more than 15 performances. The audience includes not only the villagers, but also the inhabitants of the nearest town and the workers of the companies in the area. We even went on a trip, and the response from the audience was unexpectedly positive. Only six people have left the hall. We didn't think so many people were interested in our junket. We would also play at weddings and funerals, which would make our portable radio orchestra even more closely connected to the everyday lives of the villagers.
8.
NO LUCY 02:58

about

NO EDITION # 119
recording EM 2019 Veen
total time 54.34
© 2019 Erik Mälzner

credits

released April 27, 2019

Für BILDERBUCH ZUM AUSMALEN (NO EDITION # 119) bringt ERIK MÄLZNER noch andere Klänge ins Spiel, mit indian harmonium / a-guitar / bengalian tug drum / steel drum / psaltery / midi-keyboard / percussion / portable radio. Für nun auch längere und lange, mit Märchenonkelstimme vorgetragene Hörspielstories wie 'Hör mal', 'Brüderlein Klein' und 'Das Kofferradioorchester'. Erstere, zwischen 'Privatleben' als gravitätisch schreitendem, unwohl temperiertem Intro und den stramm angeschlagenen und perkussiv läutenden Dis­sonanzen von 'Duly Informed', erzählt vom nur zu gut gelingenden Versuch einer Mutter, ihren 5-jährigen Sohn mit 'Der kleine HNO-Arzt' von seiner Farbkleckserei weg für eine eher medizinische Karriere fit zu machen. Frühreif übt der an Frosch, Ratz und Katz, damit er mal Erwachsenen zum Hören verhelfen kann. Und ich höre, von hinter den Kulissen, ein "Hört mich denn keiner?" Die zweite, mit Krimskrams-O-Ton illustrierte Geschichte zeigt einen Vater, der andererseits sein Karlchen zum Pinselschwingen anhält. Leichen und Erotika als Lieblingsmotive bringen dem Sohn tatsächlich Aufmerksamkeit und sogar Preise ein. Die Lektüren von Stirner und Rühmkorf, Beckett und Bernhardt führen dann aber zu Karls Abnabelung und einer Karriere als - Sänger. Die dritte Story führt, nach einem bruitoklassisch satiesken Zwischenspiel und einem sonic-fictional bizarren, drahtig schwirrenden, in ein Dorf, das jahrzehntelang von Katastrophen wie Dummheit und Freßsucht heimgesucht worden war. Das aber einen geradezu utopischen Aufschwung nimmt, weil dabei Intelligenz und Kultur Motor der Entwicklung sind. Neben einem Kino ist da besonders ein 58-köpfiges Kofferradio­orchester bemerkenswert, dessen Repertoire eine Reihe perlusorischer Avantgarde­stücke und -gesänge (also Stücke, die eher scherz-, um nicht zu sagen "hurz"-haft Avanciertheit vorspiegeln), aber doch auch funktionale Lieder umfasst. Als Beispiele folgen ein volkstümlicher und ein eher ernster Gesang, über einen, der gemütlich durch eine Stadt bummelt, die durch Hochwasser, Lawinen und durchziehende Truppen katastrophisch untergeht. Äußerst merkwürdig.
rbd BAD ALCHEMY # 103, Germany

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